Ein Literaturabend mit Inge Rassaerts, Dieter Gilde und Dr. Heribert Illig
Am 14. Mai.
Was könnte es Schöneres geben als am Meer zu sitzen, den Wellen und den sich wiegenden Palmen zuzusehen, gerade an der immer blauen Côte dʼAzur. Es wäre wunderbar. Doch für die geflüchteten deutschen Literaten war es ein notgedrungenes Paradies. 1933: Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, Reichstagsbrand. Bücherverbrennung, Verfolgung von Juden, Kommunisten und Hitlergegnern – der blanke Horror! All jene, die oft aus dem Stand nach Sanary-sur-Mer flohen, wussten nicht, für wie lange: vier Wochen, vier Jahre, vierzehn Jahre? So traf das geistige Deutschland am Meer ein: Thomas Mann mit der ganzen schreibenden Familie, Heinrich Mann, Franz Werfel und Alma Mahler-Werfel, Lion und Marta Feuchtwanger, Ludwig und Sascha Marcuse – die Erinnerungstafel am dortigen Fremdenverkehrsbüro nennt 68 Namen deutschsprachiger Künstler, Philosophen und Literaten.
1940 wurde Südfrankreich zum Paradies auf Abruf. Während die Exilierten noch versuchten, allmählich Fuß zu fassen, erging eine bedrohliche Anordnung: Im besiegten Frankreich musste jeder, den die Besatzungsmacht wollte, ausgeliefert werden, auch aus Vichy-Frankreich. Nun wurden alle Ausländer interniert und mussten spätestens ab 1942 fürchten, nach Deutschland ins KZ verbracht zu werden. Ein abenteuerliches Fliehen setzte ein, durch die Häfen, über die Pyrenäen, irgendwie auf Schiffen in die USA. Als rettender Engel für mehr als 2.000 Bedrohte agierte Varian Fry.
Was ging damals in den Literaten vor und was konnten sie trotz allem schreiben? Wir hören ein wildes Gemenge von Stimmen, Geschichten und Schicksalen, von bitteren Einsichten, Hoffnungen und düsteren Aussichten während des Kriegs und in kurzen Friedensintervallen, stellvertretend konzentriert auf den Ort Sanary-sur-Mer – 80 Jahre zurück und doch beängstigend nah.